Geschehen lassen, was geschieht

Interview mit Sarah Green, Produzentin von „The New World“


Von Marc Hairapetian

Sie haben mit Hauptdarstellerin Q’orianka Kilcher und Kameraoperateur Jörg Widmer den äußerst publikumsscheuen Regisseur Terence Malick bei der Berlinale vertreten. War es nur seine Medienangst, die ihn vom Festivalbesuch abhielt?

Sarah Green: Nein, Terence Malick arbeitet jetzt an dem Drehbuch für ein weiteres Projekt und will einfach dran bleiben, sonst müsste man wieder weiter zehn Jahre auf einem neuen Film von ihm warten. Und das ist auch nicht in seinem Interesse. Vier fertige Filme in fast 30 Jahren sind sogar ihm zuwenig.

Wie kam Terence Malick auf Filmdebütantin Q’orianka Kilcher für die Hauptrolle der Powhatan-Prinzessin Pocahontas? Gab es Castings?

 Green: Ja, das war ein langer Prozess. Und da war Terence und mir klar, dass wir jemanden brauchen, der um das darstellen zu können, indianisches Blut in seinen Adern haben müsste, Wir haben überall gesucht, nicht nur in den USA und Kanada. Wir haben indigene Völker besucht, um die Richtige zu finden, und im letzten Monat unserer Suche haben wir Q’orianka in Los Angeles getroffen. Sie ist jung und unbekannt genug, um glaubhaft für die authentische Powhatan-Prinzessin zu sein. Doch trotz ihres frischen, unverbrauchten Gesichts hat sie auch die Reife, um die ältere Pocahontas spielen zu können.

Die Geschichte von Pocahontas ist schon mehrfach erzählt worden. Was hat Sie in Zusammenarbeit mit Terence Malick dazu veranlasst, filmisch eine neue Sichtweise hinzuzufügen?

Green: Ich dachte, die Zeit wäre nun reif, denn es ist ja wichtig, immer wieder auf die eigene Historie zurückzublicken, daraus zu lernen, gerade in unserer heutigen Welt, wo die Kulturen trotz aller Konflikte immer näher zusammenkommen. Die Geschichte der Vereinigten Staaten basiert ja leider auch auf Missverständnissen und Intoleranz, deshalb war es wichtig sie noch einmal Revue passieren zu lassen. Auch die USA sollten überlegen, ob man als Land nicht noch mal von vorne beginnen sollte, gerade was die Ungerechtigkeiten und Massaker an den Ureinwohner betrifft. Wichtig war uns aber ebenso das Thema der reinen, unschuldigen und wahren Liebe, der sich Pocahontas erst John Smith und dann später nach bitterer Enttäuschung John Rolfe hingibt. Das ist die eben Schönheit, aber auch Tragödie der Liebe, dass man blind hineingeht in die Nacht – und das wird untersucht in diesem Film. Diese wilde Liebe, die dann zu einer selbstlosen und erwachsenen Liebe wird.

War es schwer für Sie mit dem Perfektionisten Malick zusammenzuarbeiten?

Ich sehe Terence nicht als Perfektionisten. Er ist wirklich sehr offen, arbeitet mit allen gut zusammen. Es ist die natürliche Welt, die er einfängt in seinen Filmen. Das Schöne an seinen Filmen ist, das er das geschehen lässt, was geschieht. Die Menschen wie sie miteinander umgehen. Es sind die Zufälle, die er für das Wahre hält. So erzählt er seine Geschichten.

War das die endgültige Fassung, die auf der Berlinale zu sehen war, und die jetzt ins Kino kommt?

Green: Sagen wir es mal so: Es ist die endgültige Kinoversion. Es gibt noch eine erweiterte Fassung, die drei Stunden dauert und die wird dann auf HDTV gezeigt.

Können Sie das wirklich atemberaubende audiovisuelle Konzept von „The New World“ näher erläutern?

Terry war es mit seinen Kameramännern wichtig, die Natur zu erfassen. Er wollte die Empfindungen der Engländer, die nach drei Monaten Seereise das Grün Amerikas erblicken, audiovisuell ausdrücken. Deshalb verwendete er auch Richard Wagners rhapsodischen „Rheingold“-Auftakt. Mit wenigen Ausnahmen wurde der gesamte Film ohne künstliches Licht mit Steadycam oder Handkamera gefilmt, also wir haben verschiedenes probiert, an verschiedenen Orten, variierten die Szenen, mal mit Sprache, mal ohne. Jörg Widmer hat ständig die Kamera geführt. Wenn die Sonne geschienen hat, haben wir die Schatten genutzt. Auch den Wind haben wir uns zu Eigen gemacht. Es wurde immer benutzt, was gerade zur Verfügung stand, also nichts extra hergestellt. „The New World“ ist wie eine Dokumentararbeit, aber eine mit einer inszenierten Geschichte.

Man kann über den Film geteilter Meinung sein, was fraglos schon wieder eine Qualität ist. Regie, Kamera und Darstellung sind zweifellos meisterlich. Anerkennenswert auch der große Mut Malicks zu Gefühlen. „The New World“ eröffnet und schließt mit einem Gebet – der ganze Film ist ein einziges Bekenntnis zu den Idealen des Terence Malick. Er ist fast so etwas wie ein „extended prayer“, wie es der Journalist Reinhold Zwickl, einmal treffend formuliert hat. Haben Sie als Produentin Malick komplette Freiheit gelassen oder versuchten Sie ihn zu überzeugen, manche voice over oder off-Kommentare als Zugeständnis an den gängigen Filmmarkt ganz herauszunehmen? Ist der Film ganz Terence Malick - oder haben Sie mitgesprochen?

Green: Terry ist ein außergewöhnlicher Regisseur, und in gewisser persönlicher Hinsicht ist er sehr gläubig. Er war stets zugängig für weitere Eingaben und Vorschläge von uns. Er sagt von sich: „Ich bin wie ein Maurer, der einen Stein auf den anderen setzt“. Im Prinzip ist „The New World“ von Anfang bis Ende auf das Medium dieses Regisseurs zugeschnitten, den ich in seiner Genialität mit Stanley Kubrick in einem Atemzug nenne. Meine Aufgabe ist es, seine Vision, Wirklichkeit werden zu lassen. Ich habe viel von ihm gelernt, aber auch immer wieder versucht, ihn zu unterstützen und zu helfen. Es war ein sehr interessanter, kreativer Prozess, auch in der Postproduktion. Ich habe gesehen, wie intensiv er mit dem Team spricht, doch seine Entscheidungen trifft Malick immer selbst.

Das Interview führte Marc Hairapetian.