„…ora et labora - und ich bin eher auf der labora-Seite.“

 

Bald 80 Jahre und immer noch nicht leise. Interview mit Schauspieler, Autor, (Synchron-)Sprecher und Entwicklungshelfer Dietmar Schönherr.

Von Marc Hairapetian

 

Marc Hairapetian: Herr Schönherr, eigentlich müsste ich Sie mit dem Titel “Edler von Schönleiten” ansprechen, wenn nicht diese Anrede in Österreich 1918 abgeschafft worden wäre.

Dietmar Schönherr: Ja, diesen österreichischen Adelstitel hat mein Großvater Im Ersten Weltkrieg bekommen. Das ist so etwas wie Baron, aber einen Rang niedriger. Diese Anrede wurde in der Tat 1918 abgeschafft als Österreich nach dem Zusammenbruch des Habsburger Reiches eine demokratische Republik wurde. Sie kommt heute nur noch in Kreuzworträtseln vor.

MaHa: Um auf Ihr Buch „Sternloser Himmel“ sprechen zu kommen. Es ist keine herkömmliche Autobiografie, sondern in Romanform geschrieben. Sie haben auch die realen Namen verändert. Wie sind sie darauf gekommen? Waren es rein literarische Ambitionen, oder wollten Sie die typische Selbstdarstellung mancher Biografien vermeiden?

 Schönherr: Ich war immer schon auch Schriftsteller, mit siebzehn habe ich schon damit begonnen und mein erstes Buch veröffentlicht. Ich habe einfach die Scheu bzw. den Horror gehabt, so eine Selbstbeweihräucherung zu schreiben. Durch die zwei Alter Egos David und Daniel konnte ich das vermeiden, weil die beiden sich gegenseitig beschreiben, erklären und kritisieren.

MaHa: Regisseur Alfred Weidenmann hat sie 1943 zusammen mit Hardy Krüger für „Junge Adler“ entdeckt. Was haben Sie für Erinnerungen daran? Haben sie den regimetreuen Film damals schon kritisch betrachtet?

 Schönherr: Nein, „Junge Adler“ war für mich als junger Bursche ein großes Abenteuer. Ich wollte es zu erst gar nicht machen, wie es auch ähnlich im Buch beschrieben wurde. Doch diese Antihaltung reizte Weidemann umso mehr, weil er sie nicht verstehen konnte, da alle doch immer zum Film rennen wollen. Nach mehreren UFA-Einladungen zu Probeaufnahmen entschied ich mich schließlich doch dafür. Hardy Krüger und Gunnar Möller waren bei den Jungs dabei, außerdem noch Willy Fritsch, Paul Henckels, Josef Sieber und Albert Florath. Herbert Hübner spielte meinen Vater. Wunderbare Leute. Ich habe mit Alfred Weidemann Kontakt gehalten. Er zog irgendwann nach Zürich und besuchte mich immer im Schauspielhaus bei meinen Premieren, saß gemeinsam mit meiner Frau in der Loge und freute sich. Er kam aus der bündischen Bewegung und avancierte zum viel beachteten Jugendbuchautor. Ich habe Alfred viel zu verdanken, er hat mein Leben in eine bestimmte Richtung gelenkt.

 MaHa: Nach „Junge Adler“ und dem Kriegsende reüssierten Sie vorderrangig als Hörspielautor und -macher.

Schönherr: Das Erste, das ich geschrieben, inszeniert und gesprochen hatte, hieß „Nichts von Bedeutung“. Darin wird die Geschichte, die einem lateinamerikanischen Land spielt, von Terroristen erzählt, die in einem Hotel einen Bombenanschlag planen. Der Hörer wusste genau, wann die Bombe hochgeht und konnte mit der Uhr mitstoppen. Seinerzeit wurde das Hörspiel in vielen Sendern gespielt. Danach folgte „Kinder glauben Gott ist gut“. Es handelt von einem Flugzeugabsturz in den Anden und dem Überlebenskampf einiger Passagiere. Ich habe diese Hörbücher immer Hörfilme genannt. Damals nach dem Krieg, gab es noch kein Fernsehen, mit dem Film war es mager und viele Theater waren noch geschlossen, so waren die Leute interessiert am Radio zu sitzen und Hörspielen zu lauschen. Ich habe das sehr gerne gemacht und sogar noch mit dem Iffland-Ring-Träger Albert Bassermann das Hörstück „Tod im Apfelbaum“ produziert. Damals gab es noch keine hochwertigen Aufnahmegeräte, mit denen man ins Freie gehen konnte. Aus unserem Team befand sich ein Toningenieur, der sehr gerne bastelte und ein Gerät konstruierte, das man mit einer Kurbel aufziehen und damit an einem See mit allen Nebengeräuschen aufnehmen konnte. Es war technisch gesehen sicherlich nicht einwandfrei, aber wir haben am Anfang der Sendung das Publikum darauf aufmerksam gemacht und dafür um Entschuldigung gebeten.

 MaHa: Sie haben nicht nur Sidney Portier, Steve McQuinn und Gerard Phillipe sondern insbesondere auch den legendären James Dean kongenial synchronisiert. Obwohl Sie natürlich Hochdeutsch sprachen, konnten Sie Ihren charmanten österreicherischen Akzent nicht ganz verbergen. Wie ist die Auswahl auf Sie gefallen?

Schönherr: Ich machte Probeaufnahmen für einen Gloria-Film von Ilse Kubaschewski. Es handelte sich hierbei um „08/15“, doch letztendlich bekam Blacky Fuchsberger die Hauptrolle. Sie schrieb mir daraufhin einen sehr freundlichen Brief, indem sie zum Ausdruck brachte, dass ihr meine Probeaufnahmen gut gefallen hätten. In „08/15“ wäre zwar kein Platz für mich, aber in einem der nächsten Filme würde sie mir eine Hauptrolle geben. Für sie arbeitete der Produzent Alfred Kirschner, der auch sämtliche Warner-Brothers-Filme in Paris aus dem Amerikanischen ins Französische und hier vom Amerikanischen ins Deutsche synchronisierte. Er hatte vor, den Film „Rosenmontag“ zu drehen, und bestellte mich dazu ins Hotel Frankfurter Hof und sagte: „Du kannst bei mir eine große Rolle spielen, aber zuvor musst Du zur Probe einen jungen Schauspieler sprechen, den Du noch nicht kennst, der aber morgen weltberühmt sein wird.“

 MaHa: Wie ist Ihre Wahrnehmung der drei Dean-Filme – „Jenseits von Eden“, „…denn sie wissen nicht was sie tun“, „Giganten“ - gewesen, die Sie synchronisiert haben?

Schönherr: Die waren unglaublich gut. Vor allem Kazan ist ein toller Regisseur gewesen. „Jenseits von Eden“ gefällt mir auch am besten. „… denn sie wissen nicht, was sie tun“ ist sicherlich mit dem Elternkonflikt hochinteressant aus der Zeit heraus. Bei „Giganten“ ist Dean am Anfang sehr gut, aber, wenn er altert, hat er mir nicht so gefallen. Das liegt zum Teil auch an der schrecklichen Maske. Wir hatten damals pro Film fünf Tage Zeit. Kirschner übernahm auch die Synchronregie. Bei Sidney Portier befahl er mir immer: „Negerischer, negerischer!“ Doch mit meiner Dean-Synchronisation war er sehr zufrieden.

 MaHa: Vom äußerlichen her, sind Sie und James Dean sehr unterschiedlich. Er war klein und blond, sie stattlich und dunkel. Verband Sie das Rebellische miteinander? Wie nahe war ihnen Dean?

Schönherr: Er hatte eine große Wirkung auf mich. Ich hatte vorher schon – wie sie sagten – Gerard Philipe und andere große Stars synchronisiert. Ich konnte das halt, doch bei ihm war es etwas Besonderes. Er setzte keine hergebrachten schauspielerischen Mittel ein, nein, er war ganz anders. Am ehesten war er vergleichbar mit Marlon Brando. Dean machte lange Pausen und hatte eine tolle Körpersprache, die sich von allem unterschied, was man damals kannte.

MaHa: Konnten Sie von Dean persönlich als Schauspieler lernen?

Schönherr: Ja, sehr viel. Nach der Synchronarbeit zu „Jenseits von Eden“ machte ich den Film „Rosenmontag“ mit dem damals berühmten Schauspieler Willy Birgel. Zum ersten Mal in seinem Leben führte er Regie. Er wollte immer, dass ich so ging wie er, die Brust heraus und durch und durch preußisch. Und Produzent Kirschner flüsterte mir zu: „Mehr James Dean, mehr James Dean!“, worauf ich entgegnete: „Ich kann doch nicht einen preußischen Leutnant wie James Dean spielen.“ Später machte ich noch einen Film mit Birgel, wo ich einen schrägen, aufmüpfigen Burschen spielte, und da habe ich James-Dean-Elemente eingebracht. Verwundert meinte er daraufhin zu mir: „Das ist ja merkwürdig wie Du jetzt spielst.“ Es gefiel ihm gar nicht.

MaHa: Was wollen Sie als ebenfalls rebellischer Typ dem Publikum vermitteln?

Schönherr: Dem Publikum kann man Denkanstösse vermitteln, im sehr bescheidenen Umfang. Man soll sich nicht einbilden, man könnte mit dem Theater die Welt verändern kann. Oskar Werner sagte einmal, er wollte dem Publikum den Traum schenken. Das ist Poesie. Heute ist sie beim Theater weitgehend verloren gegangen. Die Dichter werden von irgendwelchen mittelmäßigen Regisseuren verhunzt und zurechtgebogen, und der Nasenpopel ist wichtiger als der Shakespeare. Das gefällt mir nicht – und das ist auch der Tod des Theaters. Die Leute rennen ins Musical und sagen: „Ja, ich bin doch Theatergänger.“ Der Beste ist der, der am Besten lügen kann. Viele Gefühle sind gelogen, erfunden, gespielt, nicht echt. Heute wird im Theater onaniert und mit Fäkalien um sich geschmissen. Das ist schlecht gelogen.

 MaHa: Oskar Werner wurde häufig als der österreichische James Dean bezeichnet. Sind Sie ihm als Landsmann einmal persönlich begegnet?

Schönherr: Ja, natürlich, das muss 1949 gewesen sein. Nach dem „Junge Adler“-Film habe ich 1946 noch einen Ski-Film mit den Franzosen gemacht und dann ging ich zum Rundfunk, war Regisseur, Sprecher und wie bereits erwähnt Hörspielmacher. Da gab es eine Sendung „Musik und Dichtung am Sonntagmorgen“. Es kamen immer Berühmtheiten und sprachen Gedichte. Da hieß es eines Tages: „Morgen kommt der Oskar Werner“. Am nächsten Tag warteten der Tonmeister und ich brav, doch kein Oskar Werner kam. Ich ließ nach ihm suchen und ein Rundfunkangestellter kam zu mir geeilt und berichtete, er wäre nicht da, aber im großen Musikstudio säße ein Junge, vielleicht wäre das Oskar Werner. Ich ging also dorthin und da saß er tatsächlich in kurzen Lederhosen mit Hosenträgern! Ich fragte ihn: „Sind Sie der Oskar Werner?“ Er antwortete schmunzelnd: „Ja, ja, natürlich.“ Ich fiel in sein Lachen ein: „Sie sitzen im völlig falschem Studio.“ Dann legte er uns eine Josef-Weinheber-Lesung hin, die ich nie vergessen werde. Ich habe von seiner späteren Arbeit sehr viel gesehen und gehört. Von seinen Filmen hat mir später am Besten „Entscheidung vor Morgengrauen“ und „Jules und Jim“ gefallen.

MaHa: Haben Sie ihn danach noch einmal getroffen?

Schönherr: Nein, dennoch gibt es hierzu eine kleine Anekdote. Ich wohnte später in der Schweiz, dort hatte ich einen Freund, der ein Theater betrieb. Dieser sagte: „Du, jetzt rufen wir den Oskar Werner an, ja? Weil, ich habe seine Nummer und er ist immer selber am Apparat als Ansage.“ Wir wählten seine Nummer, schalteten die Lautsprecherfunktion ein, es wurde abgenommen und eine Stimme klang an unser Ohr: „Hier ist der telefonische Anschluss von dem Schauspieler Oskar Werner. Der Künstler ist augenblicklich nicht anwesend.“ Er war natürlich da und sprach dies live. Es war irrsinnig komisch, daher riefen wir X-mal an. – Leider hat er später sehr dem Alkohol zugesprochen und wurde dann etwas schwierig und undiszipliniert. Es war kein schönes Ende. Er hatte dann nicht mehr die richtigen Sachen zu spielen bekommen und war berechtigter Weise zornig darüber. Auch privat hatte er immer wieder Schwierigkeiten. Staatsschauspielerin Elisabeth Kallina war einmal seine Frau. Eine der Größen des Wiener Burgtheaters, die sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekennende Raoul Aslan, erfuhr, dass sich Oskar Werner von seiner Frau getrennt hatte: „Ach, Junge, mach Dir nichts draus. Du wirst schon einen anderen finden.“ Aslan war herrlich. Bei einer Zusammenarbeit mit Gustaf Gründgens kam es zu einer Meinungsverschiedenheit. Diese beendete er mit den Worten: „Ich komme aus Byzanz und Rom, Sie kommen aus Düsseldorf.“

 MaHa: Sprach Aslan auch in Ihrer Radiosendung?

 Schönherr: Ja, Aslan kam mit seinem Freund, der gehäkelte weiße Handschuhe trug, zu uns nach Innsbruck ins Studio und las Gedichte. Damals kamen die ersten Magnetophone auf. Wir hatten spröde Bänder von BASF, die ständig rissen. Wir nahmen ihn auf, die Löschköpfe von damals löschten nicht ganz, und weil wir ein armer Sender waren, haben wir die Bänder immer wieder verwendet. Wir hatten einen Abhörtermin und sonor erklang es: „Sah ein Knab´ ein Röslein stehen“ und direkt dahinter ertönte auf dem Band von der Wiltener Stadtmusikkapelle ein „Uftarata-Uftata“. Ärgerlich, dass wir es nicht aufbewahrt haben. Es war kabarettistische Sternstunde!. Ich schaue auf diese Rundfunkzeit - meine Lehrzeit - mit großer Dankbarkeit und Wehmut zurück. Man wurde damals vom Sender sogar zu einem Schriftsteller- und Dichterkongress geschickt, bei dem man lernen sollte, wie man Hörspiele schreibt. Ich konnte es zwar schon, verfasste dort aber, um nicht als untätig zu gelten „Ringsum brennen die Feuer“.

 MaHa: Sie hatten bereits in jungen Jahren eine hohe politische Affinität und Wachsamkeit. Resultierte das aus ihren Erfahrungen im Dritten Reich? Am Ende des Krieges desertierten Sie bekanntlich.

 Schönherr: Ich denke schon, natürlich auch durch diesen Widerwillen gegen den Faschismus, bei dem es einem später erst klar wurde, was das überhaupt ist. Durch die Nürnberger Prozesse erfuhr man, was für Greulltaten die Nazis begangen hatten. Ich habe es in meinem Buch „Sternloser Himmel“ beschrieben, wie der Kofler-Oberverwalter abtransportiert wurde. Koller hieß er in Wirklichkeit. Er wurde 1938 ins KZ abgeholt. Man wusste, dass es KZ´s gab, nur hießen die damals in Österreich im Umgangssprachlichen „Anhaltelager“. Die existierten bereits in der Schuschnigg- und Dollfuß-Zeit, da saßen aber noch die Nazis und Kommunisten drin. Das war dann so ein Begriff in Österreich, deswegen dachten sich die Leute, das wäre auch mal wieder so etwas, was es schon mal gegeben hätte, aber was es wirklich war, das wusste kaum ein Mensch. Dieser Koller kam dann zurück, war total abgemagert, jedoch braungebrannt, weil er natürlich im Freien Sand schaufeln und ähnlich sinnlose Tätigkeiten hat ausführen müssen. Schadenfroh meinte das Volk: „Schau, das hat ihm aber gut getan!“ Das sind natürlich Erlebnisse, die dazu beitragen, dass man den Nationalsozialismus zutiefst verachtet.

 MaHa: Warum wurde in der deutschen und österreichischen Filmlandschaft bis auf wenige Ausnahmen, wie in „Der letzte Akt“ von G. W. Pabst, der Nationalsozialismus im Krieg derart ausgeklammert oder verwässert?

Schönherr: Vieles lag in Trümmern und der Film übernahm man so manches aus dem Dritten Reich. Da wurde auch „Kraft durch Freude“ verbreitet, da hat man gesagt, man muss die Leute bei guter Laune halten. Man macht „Der Kongress tanzt“, setzt auf Schlösser und Prunk und hofft, dass die Leute vergessen, wie schlecht es ihnen eigentlich geht. Das war nach dem Krieg nicht anders.

 

MaHa: Zumindest im Theater gab es in der Nachkriegszeit viele ambitionierte Stücke, die vorderrangig aus dem angloamerikanischen Raum nach Deutschland kamen. Welche Autoren haben Sie hauptsächlich beeinflusst?

Dietmar Schönherr: Ich habe früher begeistert, den US-Armenier William Saroyan gelesen und ihn sogar in München bei einer Lesung im Cuvivier-Theater erlebt. Das prunkvolle Haus war voll, man wartete gespannt auf den Dichter. Es dauerte, er kam nicht und dann plötzlich, der Vorhang war schon offen, wurschtelte sich da durch und begrüßte uns mit „Hi, Kids!“. Er zerstörte damit jegliche Weihe – das war gut so.

MaHa: Ihre großen Verdienste um Nicaragua sind weithin bekannt. Haben Sie sich denn mit der Thematik des armenischen Völkermordes beschäftigt?

Schönherr: Ich weiß darüber genauestens Bescheid. Die Türken streiten es bis heute ab. Sie wollen halt nicht an dieses dunkle Kapitel ihrer Geschichte erinnert werden. Warum soll man das eine verschweigen und das andere anklagen? Das ist alles anklagenswert.

 MaHa: Wie haben Sie sich als intellektueller Schauspieler in den Heimat-Filmen gefühlt?

 Schönherr: Der Produzent Kurt Ullrich war spezialisiert auf diese Heimatfilme wie „Schwarzwaldmädel“. „Schwarzwälderkirsch“ habe ich mit den Kabarettisten Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller gedreht. Damals waren auch die Donkosaken mit Sergej Jaroff so berühmt. Sie standen einfach so auf einer Bergkuppel und sangen aus völlig unerfindlichen dramaturgischen Gründen „Ich bete an die Macht der Liebe“. Später habe ich auch einen Donkosaken - dirigiert von Jaroff - gespielt und dabei Falsett gesungen... Paul Hubschmidt war „adabei.“

 MaHa: Mit Skiass Toni Sailer haben Sie auch gedreht…

 Schönherr: Mehrmals. So „Sein bester Freund“, ein Aigner-Nordwand-Film, und „Der schwarze Blitz“, aber auch die Serie „Luftsprünge“. Wir haben noch guten Kontakt. Ich habe gerade eine Veranstaltung für den Österreichischen Skiverband gemacht. Da waren sowohl die aktuellen Skistars als auch die alte Garde, die ich alle persönlich kannte.

MaHa: Wenn wir eben über die Körpersprache James Deans gesprochen. Wie wichtig ist Ihnen der Sport als Schauspieler gewesen?

Schönherr: Durch meine Innsbrucker Herkunft lernte ich bereits mit vier Jahren Ski fahren. Später beim Militär war ich Hochgebirgsjäger. Da hieß es Skilaufen mit Gepäck und Maschinengewehr. Nach dem Krieg wollte ich eigentlich studieren, aber es war kein Geld da, da traf ich jemand, der mich fragte, ob ich Skifahren könnte, sie wollten nämlich einen Skifilm drehen. Ich durfte einen amerikanischen Rennläufer spielen. Einer von den Schauspielern war der Skiweltmeister Rudi Matt. Später habe ich mit der Dagmar Rom, auch einer Weltmeisterin, und eben mit dem Toni eben gedreht.

 MaHa: War es für Sie befremdlich als professioneller Schauspieler mit Laiendarstellern zu drehen?

 Schönherr: Rudi Matt war im Sommer Bauer, und hatte vielleicht dadurch seine natürliche Begabung und Ausstrahlung. Er war sicher kein großer Schauspieler hatte aber einen riesigen Namen. Dagmar Rom ebenso, Harald Reinl entdeckte sie, ein hübsches, blondes Mädchen für den Film. Toni war als gelernter Schauspieler wirklich sehr gut. Ich sah ihn in Luzern in „Tod des Handlungsreisenden". Außerdem war er immer wahnsinnig lustig, eine echte Stimmungskanone.

 MaHa: Wenn wir gerade eine Zeitreise machen, sollten wir uns jetzt durch die 1960er Jahre zu ihrem, größten schauspielerischen Erfolg als Commander Cliff Allister McLane in der legendären TV-Serie „Raumpatrouille - Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffs Orion“ begeben. Stimmt es, dass Sie immer noch ein sehr kameradschaftliches Verhältnis zu Ihrer damaligen Crew haben?

 Schönherr: Ja, zu Mario Monti alias Wolfgang Völz, zu den anderen eher seltener.

MaHa: Sie meinten einmal, Sie hätten beim Drehen die Serie sehr ernst genommen, heute hingegen würde alles in Ihr wie pure Ironie anmuten.

Schönherr: Ich weiß schon worauf Sie anspielen, auf die Sache mit dem zur Weltraumwaffe umfunktionierten Bügeleisen. Das haben wir nicht gewusst und auch nicht gemerkt.

 MaHa: Warum gab es bei dem Bahn brechenden Erfolg nur sieben Folgen?

 Schönherr: Obwohl es damals schon der Farbfilm gang und gebe war, drehten sie absichtlich in schwarzweiß, was natürlich heute dem Film hilft. Sie hatten nicht den Mut und dachten auch nie daran, die „Raumpatrouille“ nach Amerika zu verkaufen. Es war ja eine Koproduktion mit Frankreich, in der eine eigene französische Version existierte, in der ich auch mitwirkte. Wir drehten also parallel, zuerst deutsch, dann französisch. Ich habe versucht, diese Fassung zu bekommen, weil ich gerade für Arte eine Dokumentation über die „Raumpatrouille“ mache. Es hieß in Frankreich „ Commondo spatial“.Natürlich wirkt es heute sehr lustig. Vielleicht ist das der Witz und wirkt so komisch, weil wir es so ernst genommen haben. Wir waren das deutsche Pendant zu der amerikanischen Science-fiction-Serie „Raumschiff Enterprise“. Nichelle Nicols, die Lieutenant Uhura spielte, habe ich übrigens mal die „Goldene Kamera“ verliehen. Es war die erste Schwarze, die nicht eine Amme oder ein Dienstmädchen, sondern eine Hauptrolle spielte.

MaHa: Gab es nicht Pläne, die „Raumpatrouille“ später wieder aufleben zu lassen?

 Schönherr: Ich plante mit dem Unterhaltungschef Kuno Knoebel vom ORF eine Fortsetzung. Wir gingen zum Produzenten Günther Rohrbach in die Bavaria und schlugen ihm das. Wir bekamen von ihm einen Auftrag und schrieben sieben Folgen, mit der Anmerkung daraus einen Kinofilm zusammen schneiden zu können. Es gefiel ihm überhaupt nicht und bezahlte uns daraufhin auch nicht. Damit war die Sache gestorben.

 MaHa: Wie beurteilen Sie den Zusammenschnitt „Rücksturz ins All“, der vor einigen Jahren ins Kino kam?

Schönherr: Na ja, das waren drei Folgen, die zusammen geschnitten wurden. Man nahm Elke Heidenreich als Informationsoffizierin hinein. Es wurde hauptsächlich den Sommer über in Freiluftkinos gespielt. Ich habe es auch mal in Berlin mit Wolfgang Völz gesehen. Wir sind vorbeispaziert und haben uns angestupst: „Jetzt gehen wir auch rein.“ 2000 Zuschauer bereiteten uns einen begeisterten Empfang. Ob es für den Produzenten ein großer Erfolg war, das Ganze nochmals aufzuwärmen? Es war jedenfalls ein Riesenspaß. Noch heute gelte ich für viele in erster Linie als Commander McLane .

 MaHa: Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen, im deutschsprachigen Raum der allererste Talkmaster zu werden?

 Schönherr: „Wünsch Dir was“ hatte ja schon sehr viele Talkshowelemente mit den Familien und anderen Gästen. Dann bin ich zum Hannes Hoff beim WDR gegangen und habe ihm einen Vorschlag gemacht für eine Nachfolgesendung am Samstagabend. Zunächst reagierte er ablehnend und sagte: „Wir haben bereits ein ganzes Regal voll von Vorschlägen; irgendwie trauen wir uns nicht daran.“ Lieber war ihm eine Talkshow nach amerikanischem Muster. Peter Hajek, der „Kommissar Rex“ produziert hat, gehörte zum Team und bestärkte mich darin, eine Talkshow zu machen. Ich wusste gar nicht, was das war und fragte irritiert: „Was, eine Tag- und Nachtshow?“ „Nein, eine TALKshow!“ Schließlich kamen wir zusammen.

 MaHa: In der ersten Show erklärten Sie tatsächlich dem Publikum, was eine Talkshow ist.

Schönherr: Klar, weil es noch zu diesem Zeitpunkt niemand wusste. Ich sagte zu ihnen: „Das Ganze ist eine Rederei.“ Es gab eine Versuchssendung und danach drei Jahre 24 Folgen.

 MaHa: Obwohl manches schief lief, wirkt es auch im Nachhinein aufregender als heutige Gesprächsrunden.

 Schönherr: Vieles ist nicht so geworden, wie wir es uns gedacht haben, aber vieles war auch dadurch aufregend. Ich bekam nach jeder Sendung Morddrohungen. Es beschütze mich in dieser Zeit stets eine Hundertschaft der Wiener Polizei. Ich habe heute gerade einer Kollegin von dem wunderbaren Weihnachtsspiel erzählt, indem Maria und Josef zu den Familien kommen und um Herberge bitten und überall abgewiesen werden. Es waren schon tolle Sachen dabei.

MaHa: Sehen Sie sich denn auch Ihre heutigen Nachfolger an?

Schönherr: Blacky Fuchsberger habe ich gerne gesehen, und auch heute schaue ich immer wieder hinein. Manchmal scheint es aber wie eine ewige Wiederkehr des Gleichen. Ich sehe mir sehr gezielt Fernsehen an, vor allem Informationssendungen wie NTV und N24, Dokumentationen und gerne auch „Tatorte“.

 MaHa: Geht Ihrer Meinung nach das Berufsethos in diesem Medienzeitalter flöten, und was halten Sie von „Reality Shows“?

 Schönherr: „ Jungle Camp“ ist inakzeptabel. Bei „DSDS“ gibt es mir zu viele Tränen, aber die zum Schluss übrig bleiben, sind wirklich gut, das muss man zugeben. Die CSI-Miami-Serie ist auch nicht viel besser, als was man anderswo schon vorher gesehen hat.

 MaHa: Vermissen Sie die klassische Fernsehspielkultur?

 Schönherr: Ja, ich habe damals „Schau heimwärts Engel“ nach Thomas Wolfe gemacht. Auch ein Operettenspiel mit Heidi Brühl, wo ich einen Schäfer im Pelz mimte, aber so etwas hat sich verloren. In einer ZDF-Serie habe ich jetzt den Sigmund-Freud gespielt. Sie heißt „Giganten“ und porträtiert von Goethe über Beethoven bis Humboldt große Männer. Jede Folge dauert eine Stunde und läuft ab Herbst im Hauptabendprogramm. Der Sigmund Freund könnte ein schöner Abschluss meiner schauspielerischen Karriere sein, wenn nicht noch etwas danach an mich herantritt.

 MaHa: Sie haben lange in der Schweiz gelebt.

Schönherr: Meine Frau und ich leben jetzt seit elf Jahren auf Ibiza. 27 Jahre wohnten wir in der Schweiz, weil ich dort am Schauspielhaus in Zürich war.

MaHa: Ihre Frau Vivi Bach und sie galten als das TV-Traumpaar der 1960er- und 1970er-Jahre.Warum hat sich Ihre Gattin vom Schauspielberuf gänzlich zurückgezogen?

 Schönherr: Sie hat irgendwann die Lust verloren und gesagt: „Ich will diese Aufregung und die Menschenansammlungen nicht mehr um mich haben.“ Sie hat zwar noch in ihrer dänischen Heimat Theater gespielt und eine Fernsehserie gemacht, in der aus ihrem eigenen Buch Bilder als Dekoration dienten. Und dann hat sie abrupt aufgehört. Nun habe ich mit Volker Kühn ein Hörbuch gemacht. Nach seinem immens erfolgreichen „Marlene“-Stück, das Judy Winter über 700 Mal spielte, sagte er zu mir: „Ich möchte gerne etwas über Marilyn Monroe machen, aber ich weiß nicht, wer es spielen könnte“. Da habe ich entgegnet: „Ich frag mal die Vivi, die weiß so was.“ Dann habe ich sie angerufen und gefragt. „Du, wer wäre denn eine gute älter gewordene Marilyn Monroe?“ „Ich!“, hat sie lachend gesagt und dran gehängt: „Es war nur ein Spaß.“ Zu Volker meinte ich dann: „Das ist die Idee, denn sie könnte die ganzen Lieder wunderbar singen und außerdem ist sie eine glänzende Schauspielerin ist, was sie nie richtig zeigen konnte.“ Ich spielte mit ihr „Liliom“, wo sie immer Szenenapplaus hatte. Ich offerierte ihr meinen Vorschlag und sie meinte zuerst: „Um Gottes Willen!“ Als ich ihr aber anbot, als alter, grantiger Mann im Rollstuhl mitzuspielen, antwortete sie: „Nun, da muss ich drüber nachdenken.“ Ich könnte mir vorstellen, dass es sehr interessant werden würde.

MaHa: Sie sind jetzt über 40 Jahre verheiratet. Wie haben Sie sie kennen gelernt?

 Schönherr: Sie hatte einen hoch dotierten Jahresvertrag bei Constantin-Film. Sie sahen ihre Filme in Dänemark, und holten sie gleich nach Deutschland. Dann spielte sie pro Jahr in drei saudummen Musikfilmen, wie sie selbst befand. Also beschloss sie: „Ich mache selber eine Produktion, kaufe mir ein gutes Drehbuch und mache einen Kriminalfilm.“ Sie rief mich an und setzte mir die Pistole auf die Brust: „Bedenkzeit bis Mitternacht.“ Ich lebte damals in Kitzbühel, fuhr den ganzen Winter Ski und meinte: „Nein, ich habe überhaupt keine Zeit.“ Dann rief sie wieder an und ich entgegnete: „Nein, ich kann nicht. Ich habe mir das Schlüsselbein gebrochen.“ Sie erhöhte bei jedem Anruf die Gage. Sie hatte mich zuvor in dem Film „Die glücklichen Jahre der Thorwalds“ mit Elisabeth Bergner gesehen, indem ich einen ziemlich versoffenen, jungen Mann spielte. Und da bildete sie sich ein: „Mit dem will ich spielen!“ Irgendwann dachte ich mir: Die Frau lässt ja nicht locker, also mach ich das halt. Ich fuhr nach Wien und traf dort ihren Ehemann und sagte zu ihm: „Du bist doch jetzt sozusagen Produzent.“ Er war ein Wiener Kunststudent, ein netter Kerl, aber ein Schlawiner. Ich schlug vor: „Fahren wir nach Istrien!.“ „Na, na, i fahr´ net mit. Morgen spult doch Admira gegen Austria. Des is´ doch ma´ Fußballverein, das interessiert mi´ viel mehr.“ Da dachte ich mir: Oh, das ist kein guter Produzent. Also fuhr ich ohne ihn nach Istrien. Dort schneite es seit vielen Jahren zum ersten Mal, und ich lernte Vivi kennen. Nach drei Tagen waren wir ein Paar, da kam der Herr Produzent zu spät.

MaHa: Warum haben Sie keine Kinder?

Schönherr: Wir haben leider keine Kinder. Wir wollten immer welche haben, wie es auch in meinem Buch steht. Es war uns nicht vergönnt, aber vierzig Jahre haben wir mit großer Freude durchgehalten.

 MaHa: Kann man Ihr Nicaragua-Engagement, das 1985 begann, als Wendepunkt in ihrem Leben bezeichnen?

 Schönherr: Es hatte eine Vorgeschichte durch meinen „Kain“-Film und mein Interesse für die Friedensbewegung sowie große Veranstaltungen mit Leuten wie Harry Belafonte und Petra Kelly. Ich war auch bei mehreren Blockaden dabei, wie in Mutlangen, und merkte: Das ist eigentlich so selbstdarstellerisch. Wir finden uns da so großartig, aber das beeindruckt in Wirklichkeit die Politik überhaupt nicht. Die amerikanischen Soldaten, die am Raketenzaun Wache hielten, raunzten uns an: „What do you think? If I go home, I’ll have no work. This is my work. Fuck off.” Da sah ich, das funktioniert so nicht. Also wollte ich etwas Positives initiieren. Ich gründete in der Schweiz eine Stiftung und kam durch den Verleger Hermann Schulz vom Peter-Hammer-Verlag auf Nicaragua. Er besuchte mich in Berlin bei Wolfgang Völz und sagte zu mir, ich könnte auch so etwas machen wie der Karl-Heinz-Böhm. Er war gut mit Ernesto Cardenal befreundet, den ich bei einer Veranstaltung kennen lernen durfte. So verdichtete es sich immer mehr und ich überlegte mit meinem Freundeskreis, wohin man gehen könnte. Afghanistan war damals aktuell, aber eben russisch besetzt. Der Libanon mit seinen vielen Entführungen kam auch in Frage - und Nicaragua. Schließlich fuhr ich dort hin mit dem Filmemacher Werner Penzel und durchreiste das ganze Land in nur acht Wochen, wo die Leute uns ihre Bereitschaft erklärten, mit uns zusammen zu arbeiten. In einem Dorf lebten in 1000 Metern Höhe bei eisiger Kälte 400 Menschen, darunter 200 Kinder unter primitivsten Bedingungen, sie schliefen in Erdlöchern. Die nächste Reise machte ich schon mit Rupert Neudeck, der ein Ärzteteam dorthin schickte. Wir bauten die gesamte Infrastruktur des Dorfes auf, bis hin zur Elektrifizierung. Ich ließ eine Lastwagenbrücke erstellen, um das Transportproblem zu verbessern und baute mehrere Schulen. Dann sagte Ernesto zu mir: „Warum machst Du immer nur was für diese Campesinos? Mach doch mal etwas für die Kunst, Du bist doch Künstler!“ Also kaufte ich das Haus der Familie Cardenalundrestaurierte es. Geld bekommt man übrigens nur für „Aktuelle“ Entwicklungsregionen. Es verhält sich 2006 mit Nicaragua so wie mit dem Tsunami. Wer denkt heute noch daran? Damals war es anders, weil das einfache Volk mit primitivsten Mitteln, barfüssig und aus dem Wald kommend, den sehr blutigen Diktator Somoza verjagte. Das beeindruckte mich ungeheuer, weil wir es mit Hitler nicht geschafft hatten. Die Revolution in Nicaragua interessierte sehr viele Intellektuelle in der westlichen Welt. Damals dachte ich noch, dass ich mir für das Projekt drei Jahre geben und dann wieder zurückgehen würde. Jetzt sind es inzwischen 21 Jahre und ich bin immer noch dort.

 MaHa: Wie beurteilen Sie heute die Situation in Nicaragua?

 Schönherr: Jetzt ist es eine Bananenrepublik geworden, eine so genannte neoliberale, konservative Regierung, die sich mit ähnlich gelagerten Parteien ständig abwechselt. Alles sehr korrupt. Der eine Präsident riss sich 500 Millionen unter den Nagel und sitzt jetzt im Gefängnis. Demokratie ist ein langer Weg. Hier muss man sagen, haben die Alliierten geholfen, von allein wäre hier auch keine Demokratie entstanden. Dort ist eine extreme Armut, es ist das bedürftigste Land des amerikanischen Kontinents. Die Armen sind immer noch arm und die Oberen sind immer noch sehr reich. Ein gesunder Mittelstand existiert hier nicht.

MaHa: Sie haben auch eine Kirche gebaut. Sind Sie gläubig?

Schönherr: Ja, allerdings bin ich keiner, der immer in die Kirche rennt und betet. Aber eben ein tätiger Christ, dass heißt ora et labora - und ich bin eher auf der labora-Seite. Ich finde, man muss was machen, um sein Christentum zu beweisen. Das kann man auch Solidarität oder Nächstenliebe nennen. Bereits durch das Elternhaus wurde ich darin stark geprägt.

 MaHa: Wie wichtig ist Ihnen Ihre österreichische Identität?

 Schönherr: Ich habe immer meinen österreichischen Pass behalten, aber ich fühle mich als Weltbürger. Ich bin in Nicaragua mehr zu Hause als in Österreich. Ich bin in Ibiza zu Hause und auch hier, wenn ich in Berlin bin. Zu Hause ist da, wo ich etwas bewirken kann. Ich bin kein Nationalist.

MaHa: Wie werden Sie denn in Nicaragua aufgenommen? Sind Sie der hilfreiche Österreicher?

 Schönherr: Der verrückte Millionär. Die Leute wissen ja nicht genau, was ich mache. Für viele bin ich ein ganz merkwürdiger Kauz, bei dem Sie sich fragen: was will der denn eigentlich? Langsam fangen Sie an mich zu begreifen. Los Alemanes nennen Sie auch meine Frau und mich, weil wir Deutsch sprechen.

MaHa: Weltverbesserer ist für Sie kein unehrenwertes Wort?

Schönherr: Was mir überhaupt nicht gefällt, ist diese „Gutmensch-Definition“. Ich bin ein zorniger, rasender und wütender Mensch. Ich helfe gerne armen Leuten, das ist etwas anderes. Weltverbessern? Man kann die Welt verbessern, jeder kann es minimal.

MaHa: Sind Sie Politik verdrossen?

Schönherr: Nein. Ich bin nicht Politik verdrossen, höchstens Partei verdrossen. Ich war sehr stark verbunden mit Kreisky und den österreichischen Sozialdemokraten. Die jetzigen Sozialdemokraten gefallen mir überhaupt nicht. Gusenbauer kenne ich, das ist ein sehr intelligenter Mann ohne jegliches Charisma. Schüssel hat sie alle niedergestampft mit Hilfe von Herrn Haider. Kürzlich habe ich mit der österreichischen Regierung auf höchster Ebene verhandelt, weil ich aus der Kunst- und Musikschule in Nicaragua eine Kunstuniversität machen möchte. Schon vor längerer Zeit wurde die amerikanische Entwicklungsbank in diese Pläne mit einbezogen. Jetzt hoffe ich, und es sieht gut aus, dass die Österreicher mithelfen. Man brauchte über drei Jahre verteilt 400 Tausend Euro für diese Institution, und dann trägt es sich selber.

MaHa: Sie werden am 17. Mai 2006 80 Jahre alt und sind ungebrochen aktiv. Man hat den Eindruck Sie entspannen sich durch diese Aktivitäten.

Schönherr: Bücher schreiben ist wahnsinnig entspannend.Spannend und entspannend. Ich kann mich auch gehen lassen. Aber ich habe immer was vor, vor allem nachts fällt mir viel ein; und ich muss es dann aufschreiben. Ich denke, ich bin immer noch sehr wach.

Marc Hairapetian interviewte Dietmar Schönherr am 3. April 2006 im Berliner Hotel Savoy .

 

Foto: © Jacqueline Krause-Burberg