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The Hearts of Noise: THE SPIRIT aka Marc Spirit Hairapetian meets electronic music genius Jean Michel Jarre again (Grand Hotel Hyatt Berlin, April 14, 2016, photo by Alex B. Adler for SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de / www.spirit-fanzine.com

The Heart of a Synthie Pop Hero

Interview mit dem Pionier der elektronischen Popmusik Jean-Michel Jarre

Von Marc Hairapetian

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Wie der Vater, so der Sohn: Der am 24. August 1948 in Lyon geborene Jean-Michel Jarre hat wie sein ebenfalls weltberühmter Vater Maurice Jarre (1924 - 2009, "Lawrence von Arabien", "Doktor Schiwago") Filmmusik ("Die Löwin und ihr Jäger", 1973) komponiert, ist aber für seine Synthesizer-Alben ("Oxygène", 1976; "Equinoxe, 1978") und Multimedia-Spektakel zur lebenden Popmusik-Legende geworden. Marc Hairapetian, der mit Maurice Jarre eng befreundet war, sprach mit den nach wie vor jugendlich wirkenden Franzosen über sein neues Werk "Electronica 2 - The Heart of Sound" und die ungewöhnliche Zusammenarbeit mit Edward Snowden.

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 Marc Hairapetian: Monsieur Jarre, auf Ihrem neuen Album "Electronica 2 - The Heart of Noise" haben Sie mit vielen namhaften Künstlern zusammengearbeitet. Doch mit der Verpflichtung des sogenannten "Whistleblowers" Edward Snowden, dem einzigen Nicht-Musiker in diesem illustren Kreis, ist Ihnen ein wahrer Coup gelungen. Wie kam die Kooperation beim Techno-Track "Exit" zustande?

 Jean-Michel Jarre: Ich war vor einigen Wochen in Moskau und habe ihn dort besucht. Der Kontakt kam über die Zeitung "The Guardian" zustande. Wir leben heute in einer Welt, wo nicht wir, sondern die Smartphones uns zu beherrschen scheinen. Doch auch die können - wie wir jetzt vor allem durch Edward Snowden wissen - von außen abgehört werden. Die Privatsphäre scheint in der Auflösung zu sein. Man muss sich regelrecht Nischen für sie erkämpfen. Als ich das erste Mal von Edward Snowden hörte, wurde ich seltsamerweise an meine Mutter Francette Pejo erinnert. Sie spielte sehr früh eine tragende Rolle in der Résistance. Doch 1941 waren die meisten Leute in Frankreich noch gar nicht für den Widerstand gegen die Nazis bereit. Sie befanden, die Résistance wäre gefährlich für die eigene Gesellschaft! Auch heute können Großteile der westlichen Gesellschaft eine Reizfigur wie Edward Snowden nicht tolerieren. Das finde ich falsch. Er sagte nicht "Stoppt die Technologie!", sondern "Seid vorsichtig im Umgang mit ihr!". Das ist ein himmelweiter Unterschied! Er möchte einfach nicht, dass wir alle im Überwachungsstaat enden. Und das möchten wir doch auch nicht, oder? Mutig wendet er sich gegen Populisten wie Donald Trump, der hoffentlich niemals Präsident der USA wird. Für mich ist Edward Snowden wirklich ein moderner Held!

 Marc Hairapetian: War die Zusammenarbeit mit dem "modernen Helden" einfach? Bisher hat er ja immer alle Künstleranfragen abgelehnt...

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 Jean-Michel Jarre: Er liebt einfach elektronische Musik, die ihm schon, als er als Kind nach Computerspielen fast süchtig war, eine wichtige Inspiration war. Es ehrt mich sehr, dass er mir den Zuschlag gab. Er hat verstanden, dass meine fünfjährige Reise rund um die Welt, um Musiker verschiedener Generationen für mein "Electronica"-Projekt zu gewinnen, nicht nur kommerziellen Charakter hat, sondern etwas bewegen will: Das Zusammenrücken von Menschen, die sich vielleicht nicht nur im künstlerischen Sinn vorher etwas voneinander abgegrenzt haben. Als er erst einmal "ja" gesagt hatte, war es ganz einfach mit ihm. Wir führten ein ähnlich intensives Gespräch miteinander, wie wir es gerade miteinander tun. Und er sagte mir wörtlich, dass er sich als Ingenieur niemals selbst als "coole" Person empfunden habe, die sogar mal später einen ziemlich rabiaten Techno-Track aufnehmen würde.

 Marc Hairapetian: Haben Sie auch darüber nachgedacht, vielleicht einmal ein elektronisches Requiem für die Opfer der Terroranschläge in Paris und Brüssel aufzunehmen?

 Jean-Michel Jarre: Das ist eine sehr interessante Frage! In der Tat wollte ich nach dem Terror-Anschlag in Paris spontan ein Stück namens "The Night of the Bataclan Club" komponieren, doch ich werde wohl noch etwas Zeit dafür brauchen. Es sind damals Freunde von mir und deren Verwandte gestorben - und ich muss das erst richtig verarbeiten. Somit sind Konzerte die beste Antwort an die barbarischen Leute, die tatsächlich glauben, mit Terrorismus die Welt in positiver Hinsicht verändern zu können. Meine Zusammenarbeit mit Edward Snowden soll auch eine Anregung sein, dass mein Publikum, weiterhin weltweit den Regierungen auf die Finger schaut, aber in einem friedlichen Sinn.

 Marc Hairapetian: Wird es nach "Electronica 1 & 2." auch Volume 3 geben?

 Jean-Michel Jarre: An sich würde es mich reizen, an dem Konzept eines niemals endenden Albums weiter zu arbeiten, doch jetzt konzentriere und freue ich mich erst einmal auf meine Tournee, die mich im Oktober auch nach Deutschland, wo ich ein sehr treues Publikum habe, führen wird.

 Marc Hairapetian: Sie gelten als Workaholic. Können Sie sich überhaupt noch mit Musik entspannen?

 Jean-Michel Jarre: Mitunter ist das wirklich schwierig, aber sie werden lachen. Das 46-minütige Stück "Waiting for Costeau" habe ich 1990 ganz allein für mich komponiert, um einfach zu relaxen und mal runterzukommen. Das gelingt mir sonst nicht, wenn ich komponiere, geschweige denn Musik höre. Es kam bei den Hörern meines dem Meeresforscher Jacques-Yves Costeau gewidmeten Tonträgers so gut an, dass ich seit geraumer Zeit auch Auszüge daraus zu Beginn meiner Konzerte spiele, damit sich das Publikum entspannen kann, bevor das Spektakel losgeht!

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Das Interview mit Jean-Michel Jarre führte Marc Hairapetian für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de / www.spirit-fanzine.com am 14. April 2016 im Grand Hotel Hyatt Berlin. Lesen Sie bald auch den zweiten Teil des Gesprächs mit Jean-Michel Jarre über seinen Vater Maurice, die Freundschaft mit "2001: Odyssee im Weltraum"-Autor Arthur C. Clarke und die Bewunderung für Synthesizer-Pionier Wendy Carlos exklusiv in SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM!

Jean-Michel-Jarres "Electronica World Tour" führt ihn auch im Oktober und November nach Deutschland, u. a. zum Auftakt am 16. Oktober nach Frankfurt am Main (Festhalle), am 20. Oktober nach Berlin (Mercedes-Benz Arena) und zum Abschluss am 21. November nach Münster (Münsterlandhalle).