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Hannelore Elsner

„Im Grunde bin ich eine Melancholikerin“

Interview mit Hannelore Elsner zum heutigen 70. Geburtstag

by Marc Hairapetian

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Es war ein weiter Weg von „Immer die Mädchen“ und „Freddy unter fremden Sternen“ (beide 1959) über „Die endlose Nacht“ (1963) und „Die Kommissarin“ (1994 - 2005) bis zu „Die Unberührbare“ (2000) und „Kirschblüten - Hanami“ (2008). Die am 26. Juli 1942 im bayerischen Burghausen geborene Hannelore Elsner (eigentlich Elstner mit „“t“) wandelte sich vom Nachwuchstalent mit dem unwiderstehlichen Sex-Appeal zu Deutschlands bester Charakterdarstellerin. Im Gespräch mit SPIRIT-EIN-LÄCHELN-IM-STURM-Herausgeber Marc Hairapetian, dem Sie das Du antrug, spricht sie über ihre turbulente Karriere, die mit Marcus H. Rosenmüllers Filmkomödie „Wer‘s glaubt wird selig“ (Kinostart am 16. August) ihre Fortsetzung findet.

Größere Ansicht anzeigen Marc Hairapetian: Du hast im Vorfeld gesagt, Du willst lieber über Filmkunst als über das Alter reden, dabei bist Du mit Abstand die sexieste 70jährige Schauspielerin, die Deutschland zu bieten hat.

Hannelore Elsner (lachend): Danke! An sich komme ich aus Tahiti - es fehlen nur die Blumen im Haar. Und zum Altern sage ich nur eines: Man kann es nicht wegdiskutieren. Ich werde älter - und das ist gut. Ich brauche kein Botox, stehe zu meinen Falten, auch wenn ich wie fast alle Frauen nicht ohne Eitelkeit bin und mir die Haare färbe. Sieht einfach schöner aus.

Marc Hairapetian: Hast Du einen Lieblingsfilm unter den zahlreichen, die Du gemacht hast?

Hannelore Elsner: Ja, das ist ganz klar „Die endlose Nacht“ von Will Tremper.

Marc Hairapetian: Das ist erstaunlich, hast Du doch in dem deutschen Vorläufer von Stanley Kramers in Hollywood gedrehten All-Star-Ensemble-Film „Das Narrenschiff“ nur eine Nebenrolle als Starlet.

Hannelore Elsner: Ich weiß, aber es geht mir um den gesamten Film, der heute noch ungeheuer modern wirkt und wie „Das Narrenschiff“ verschiedene Episoden zu einem Kaleidoskop menschlicher Leidenschaften zusammenfügt. Ich konnte unglaublich viel lernen bei den Dreharbeiten auf dem jetzt stillgelegten Flughafen Tempelhof und war von großartigen Schauspielern umgeben wie Harald Leibnitz, der seine von Karin Hübner gespielte Freundin einem reichen Unternehmer regelrecht anbietet, damit dieser ihm das Geld für einen gefälschten Wechsel leiht. Wie Paul Esser als J. M- Schreiber - J. M. nicht J. R.! - zu Karin Hübner ohne Umschweife „Mädchen, ich will dich!“ sagt und sie dabei lüstern anblickt, war für die damalige Zeit eine regelrechte Provokation. Dabei gingen in Wirklichkeit doch viele Geschäftsmänner damals in die Puffs, um sich auszutoben, während die Ehefrauen die Kinder hüten mussten. Regisseur und Drehbuchautor Will Tremper, der weder zu Opas Kino noch zu den sogenannten Erneuerern des Oberhausener Manifests gehörte, wagte mit dem gut recherchierten Film damals viel. Nicht umsonst erhielt er 1963 mehrere Deutsche Filmpreise. Als hauptberuflicher Journalist war Tremper einfach näher dran am Puls der Zeit. Als verzweifeltes Starlet, das nur äußerlich cool auf feine Dame macht, aber tatsächlich total abgebrannt kurz vorm Verhungern ist und sich am Ende von zwei zwielichtigen Jungs abschleppen lässt, um „Die endlose Nacht“ in deren Auto zu verbringen, konnte ich meine erste Charakterrolle spielen. Ich habe den Film letztens in einem Berliner Filmclub wiedergesehen - und total genossen. Die Rechtefrage ist derzeit nicht genau geklärt, so dass eine offizielle Wiederaufführung schwierig werden könnte.

Marc Hairapetian: Die anderen Filme jener Tage, in denen Du als vorderrangig naives Weibchen mitwirktest, werden von Dir nicht so gelobt. Was stört Dich an Ihnen?

Hannelore Elsner: Cineastisch betrachtet waren die später 1950er und frühen 1960er Jahre eine tolle Zeit. Nur wurden diese Filme nicht in Deutschland, sondern in Frankreich, Italien, England, Polen oder der damaligen Tschechoslowakei gemacht. Ich musste mit Peter van Eyck und Ruth Leuwerik „Ein Alibi zerbricht“ drehen. Die beiden fand ich damals einfach doof. Auch Curd Jürgens gefiel mir nicht. Der war für mich einfach ein altväterlicher Typ. Ich konnte gar nicht verstehen, warum sich so viele Frauen für den „normannischen Kleiderschrank“ begeisterten. Ich wollte doch für die Nouvelle Vague drehen!

Marc Hairapetian: Wer gefiel Dir denn damals von den deutschsprachigen Schauspielern?

Hannelore Elsner: Romy Schneider, die gab immer alles, und Oskar Werner, der hatte einen unwiderstehlichen Charme, war charismatisch und sensibel zugleich, ob als „Hamlet“, in Hollywood - oder eben in Frankreich für die Nouvelle Vague. Ich hätte vieles gegeben, um an seiner Seite in einen Film wie Truffauts „Jules und Jim“ zu spielen.

Marc Hairapetian: Du hast mit vielen bekannten Schauspielern gearbeitet, wurdest auch von nicht wenigen begehrt. War es schwer, sich ihrer Annäherungsversuche zu erwehren?

Hannelore Elsner: Mitunter ja. Klaus Löwitsch lernte ich schon mit 17 Jahren kennen. Er war damals ein Heißsporn. Als er anbot, mich nach Hause zu fahren, dachte ich mir erst nichts dabei. Plötzlich sagte er: „Ich bin scharf auf Dich!“, und legte mir die Hand aufs Knie. Ich entgegnete ängstlich: „Ich muss gleich weinen.“ Da grinste er mich an: „Das macht mich noch geiler!“ Doch er nutzte die Situation nicht weiter aus, was ich ihm hoch anrechnete. Jahre später drehten wir den Thriller „Kaminsky - Ein Bulle dreht durch“ - und wurden gute Freunde.

Marc Hairapetian: Hat es Dich geschmerzt, dass Du im Bewusstsein der Öffentlichkeit erst im Jahr 2000 in Oskar Röhlers „Die Unberührbare“ als große Menschendarstellerin gefeiert wurdest?

Hannelore Elsner: Sagen wir es mal so: Es war schon eine verspätete Genugtuung für mich. Ich hatte ja vorher schon in ambitionierten Filmen wie 1973 „Die Reise nach Wien“ von Edgar Reitz oder 1983 „Tatort: Peggy hat Angst“ von Wolfgang Becker agiert. In „Die Unberührbare“ spielte Elsner Elsner, nur diesmal nicht Hannelore, sondern die DDR-Dichterin Gisela. Mit Regisseur Oskar Röhler, der mich manchmal an meinen Sohn Dominik erinnert, stimmte die Chemie sofort. Er gab mir Raum zur Entfaltung, auch wenn ich mich natürlich eng an die tragische Biografie seiner Mutter, die im Film in Hanna Flanders umbenannt wurde, zu halten hatte. Von den neuen Filmen, in denen ich mitwirkte, gefällt mir „Die Unberührbare“ am besten - und „Kirschblüten- Hanami“, obwohl mir da völlig zu recht Elmar Wepper die Show gestohlen hat.

Marc Hairapetian: Warum gibst Du eigentlich so selten Interviews?

Hannelore Elsner: Weil das ein ungeheurer Stress für mich ist. Ich bin eigentlich schüchtern und im Grunde eine Melancholikerin. Die Schauspielerei ist da eine gute Therapie für mich. Ich überlege immer ganz genau, was ich antworte. Es sei denn ich vertraue jemanden - wie jetzt. Wochenlang habe ich beispielsweise überlegt, ob ich zu Markus Lanz in die Sendung gehen soll. An sich lasse ich lieber meine Arbeit für mich sprechen.


Das Gespräch mit Hannelore Elsner führte Marc Hairapetian am 15. Juni 2012 beim Produzentenfest im Berliner Haus der Kulturen der Welt. Das Foto von Hannelore Elsner und Marc Hairapetian machte Stefanie Seufert. Das Foto der jungen Hannelore ist aus ihrem Lieblingsfilm „Die endlose Nacht“ (1963).