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Michael Wahler (1962 - 2014) alias Cäpt´N Suurbier in jungen Jahren (Foto. Marco Saß)

Drei-Akkord-Wunder aus Westberlin

Die Suurbiers geben in Erinnerung an Frontmann Michael Wahler das Abschlusskonzert ihrer "Teenage Rebell"-Tour am Marheinekeplatz

von Marc Hairapetian

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Es gibt eigentlich nur zwei Lichtgestalten der deutschsprachigen Popmusik, die sich über einen jeweils langen Zeitraum kontinuierlich selbst im Weg gestanden sind. Der eine ist Peter Hein, der nach dem Erfolg von "Monarchie und Alltag" (1980) kurz vor Beginn einer großen Fehlfarben-Tournee ausstieg, um lieber "romantische Teeabende" mit seiner Freundin zu genießen. Inzwischen hat der in Wien lebende Düsseldorfer mit der charismatischen Stimme längst die Kurve gekriegt: Ob als Frontmann der Soul-Punk-Band Family Five oder eben jenen Fehlfarben, die er zu neuen Glanz und Feuilleton-Elogen geführt hat. Der andere war Micha(el) Wahler, gebürtiger Berliner und Gründungsmitglied der Suurbiers, weswegen er in der Szene eigentlich nur Cäpt´N Suurbier genannt wurde. Sie haben leider richtig gelesen: "war", denn ausgerechnet am Valentinstag letzten Jahres machte er seinem Leben selbst ein Ende, in dem er sich mit Anfang 50 am U-Bahnhof Richard-Wagner-Platz vor den anrollenden Zug warf...
 Schon seit einigen Jahren litt er unter psychischen Problemen, die er tapfer mit sich herumtrug und nach außen selten bis nie thematisierte. Wenn er sich mal einem öffnete, erfuhr man, dass der strenge "Über-Vater", der als Arzt zu hohe moralische Anforderungen an seine Söhne stellte, nichtsdestotrotz diese aber als Kinder regelmäßig verdrosch, bleibende seelische Schäden beim sensiblen Micha hinterlassen hatte. Nicht nur bei ihm: Auch sein Bruder verkraftete das familiäre Umfeld nicht und wählte Jahre zuvor ebenfalls den Freitod. Sozusagen aus Rebellion machte Michael Wahler Musik. Im Zuge der Neuen Deutschen Welle entstand nach einem Otto-Waalkes-Sketch und einem Nebencharakter der Fernsehserie "Ein Herz und eine Seele" benannt zunächst Frau Suurbier, die allerdings keine typische Wave-Band jener Tage war, sondern eine vom Rockabilly beeinflusste Fun-Punk-Combo mit hinreißenden Blödel-Texten, aber auch anspruchsvollen Lyrics. Die drei Gründungsmitglieder - Micha (Gitarre, Gesang), Tom (Schlagzeug) und Hans (Bass) - spielten alle Fußball beim VfB Hermsdorf und nannten sich fortan mit Nachnamen Suurbier. Beiträge auf dem legendären Sampler "Ein Vollrausch in Stereo - 20 schäumende Stimmungshits" (1983) machten sie zum vielgeliebten Insider-Tip. Das Schicksal wollte es so, dass der Talentschmiede des Cäpt´N Suurbier immer wieder die besten Musiker von anderen aufstrebenden Bands abgeworben wurden. Michael "Bum Bum Suurbier" Beckmann wechselte zu den Rainbirds, Hans Runge als Sahnie zu den Ärzten, Schlagzeuger Grandmaster Suurbier alias Wölli, der noch den besten Suurbier-Song aller Zeiten "Teenage Rebell" in hinreißender Christian-Anders-Manier "im Kampf gegen eine stumpfsinnige, verachtungswürdige Welt des Heavy-Metal-Lärms" intonierte, zu den Toten Hosen. Fairerweise muss gesagt werden, dass Dirk "Bela B." Felsenheimer von den Ärzten 1983 auch kurstfristig als Drummer bei den Suurbiers aushalf.
 Trotz diverser Tonträger - darunter die stilistisch vielfältige Mini-LP "Kein Mann für eine Nacht" (1985), die Wiedervereinigungs-Maxi "Zwei Boys für jedes Girl! - Wir machen eine neue Revolution!" und die verspätete Single-Auskopplung " "Möpse" (2001) - brachte die Gruppe nie eine echte Langspielplatte auf dem Markt. In der Trauer und im Schmerz entstehen manchmal die besten Ideen: Mittels Crowfunding und dem unermüdlichen Einsatz des heutigen Filmkomponisten Michael Beckmann ("Fack Ju Göthe") und seinen Freunden vom "Verein für Suurbierkultur und Handwerk" kam in diesem Jahr gar ein auf 500 Stück limitiertes, schnell vergriffenes Doppel-Vinyl-Album mit allen alten und neueren Perlen wie "Drei-Akkord-Wunder" oder "Ein Mädchen, das etwas wie ein Junge ist" auf den Markt, das auch als Download erhältlich ist. Seit der bewegend-ausgelassenen und völlig überfüllten Record-Release-Party in der Tegeler Hafenbar am 21. März spielt sich die aus fast allen ehemaligen, überlebenden Mitgliedern zusammen gesetzte Band mit neuem Sänger Stefan "Overnight Suurbier" Fiebig durch deutsche Lande. Am Sonntag findet das vorläufige Abschlusskonzert der "Teenage Rebell"-Tour "umsonst und draussen" auf dem Kreuzberger Marheinekeplatz statt. Das alles hätte den Cäpt´N, der von seinen Bewunderern häufig auch als "Der Allercoolste von Westberlin" geadelt wurde, sicherlich gefreut!

Marc Hairapetian am 19. Juni 2015 für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de

Kontakt: www.facebook.com/pages/Die-Suurbiers/772018559583578?fref=ts