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Der Mann, der das grechische Kino nach Hollywood brachte

Zum Tod des Filmemachers Michael Cacoyannis (1922 - 2011)

von Marc Hairapetian

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Michael Cacoyannis Es wäre ungerecht, Michael Cacoyannis nur an einem einzigen Film zu messen, doch dieser machte ihn schlagartig berühmt und gilt mittlerweile als cineastisches Weltkulturerbe: Denkt man an Griechenland, kommt einem sofort „Alexis Sorbas“ (USA/GB 1964) in den Sinn. Die kongeniale Adaption des Romans von Nikos Kazantzakis, bei der der als Vorarbeiter engagierte makedonische Titelheld (fulminant verkörpert von Anthony Quinn) den vergeistigten Schriftsteller Basil (Alan Bates) die Kunst des einfachen, aber echten Lebens lehrt, besticht nicht nur durch das erstklassige Spiel der Hauptdarsteller und die folkloristisch klingende Musik von Mikis Theodorakis, sondern auch durch die stilsichere Inszenierung.

Cacoyannis, der zypriotisch-griechische Regisseur, Drehbuchautor und Produzent, verstand es, komödiantische Episoden von ungezügelter Lebenslust mit einer der antiken Tragödie entlehnten Ernsthaftigkeit zu verbinden. So entstand mit professionellen Schauspielern und Laien eine Art neorealistischer Hollywood-Film in archaisch anmutenden Schwarzweiß-Bildern, der in vielen Ländern Begeisterungsstürme (so auch im Iran bei meinem armenischen Vater!) entfachte und sogar die tanzfaulen Deutschen den Kunsttanz (!) Sirtaki lehrte. Dagegen konnte Cacoyannis Nachfolgearbeit nur abfallen: Die Satire „Der Tag, an dem die Fische kamen“ (1967) bot aber immerhin (in etwas trashiger Farbe) die ausgelassene Atmosphäre der swingenden Sechziger Jahre. Erstaunlich genug, dass der am 11. Juni 1922 in Limassol als Michalis Kakogiannis geborene Künstler mit so leichter Hand zu inszenieren verstand, kam er doch ursprünglich aus einer ganz anderen Berufssparte: Der studierte Jurist arbeitete in Athen und London eine zeitlang als Anwalt. Der „Rechtsverdreherei“ - wie er einst bekannte - überdrüssig geworden, begann er nach dem Zweiten Weltkrieg für die BBC griechischsprachige Programme zu produzieren. Er arbeitete dann sogar eine zeitlang am renommierten Old Vic Theatre als Regisseur und Schauspieler, konnte aber als eingefleischter Cineast nicht in der britischen Filmindustrie Fuß fassen. So kehrte er nach Griechenland zurück, um 1954 mit „Windfall in Athens“ sein Kinodebüt zu geben. Schon sein nächster Film brachte ihm und seiner Hauptdarstellerin Melina Mercouri den Durchbruch: Dabei war „Stella“ eigentlich nur zur Bühnenaufführung gedacht, zu der es jedoch nie kam. Die Frauenstudie erhielt zahlreiche Preise, darunter einen Golden Globe für den besten fremdsprachigen Film. Die für den „Auslands-Oscar“ nominierte, freie Nachdichtung von Euripides‘ Drama „Elektra“ (1962), in der Cacoyannis es nicht scheute, seinen von Irene Papas gespielten Racheengel mittels Gebärdensprache agieren zu lassen, nimmt was Landschaft und Einsatz der Musik angeht, schon einiges von „Alexis Sorbas“ vorweg. Die sogenannte „Traumfabrik“ liess dem Regisseur dafür weitestgehend freie Hand - der Lohn sensationelle Einspielergebnisse und drei Oscars (für Kamera, Szenenbild und Nebendarstellerin Lila Kedrova) bei insgesamt sieben Nominierungen. Auch das mit Katharine Hepburn und Vanessa Redgrave prominent besetzte Historiendrama „Die Troerinnen“ (1971) erhielt gute Rezensionen. Nach „Iphigenie“ (1978) wurden die Produktionsabstände zum nächsten Film jedoch immer größer: „Geliebtes Land“ (1987) mit Franco Nero war eine gelungene Abrechnung mit dem Pinochet-Regime in Chile. Cacoyannis letzter Film hingegen entstand 1999 in Bulgarien wieder nach einem Bühnenstück: „Der Kirschgarten“ zeigte seinen Lieblingsdarsteller Alan Bates in Hochform. Michael Cacoyannis, der das griechische Kino noch vor The Angelopoulos international etablierte, starb am 25. Juli im Alter von 89 Jahren an Herz- und Atemproblemen in einem Athener Krankenhaus.

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Marc Hairapetian (SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-fanzine.de)