Größere Ansicht anzeigenErste Begegnung: The Spirit aka Marc Hairapetian und Fritz Wepper bei der Goldenen Henne 2010 (Berlin-Friedrichsttadpalast, Foto: André für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de / www.spirit-fanzine.com / www.spirit-fanzine.de)

Ausnahmekünstler und Ausnahmemensch

Lange unterschätzt: Schauspieler Fritz Wepper zum 75.

von Marc Hairapetian

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Größere Ansicht anzeigenHorst Tappert als Oberinspektor Stephan Derrick und Fritz Wepper als Inspektor Harry Klein (Foto: Archiv Marc Hairapetian)

"Ich bin keiner, der verpassten Chancen nachtrauert", sagt Fritz Wepper, der am 17. August seinen 75. Geburtstag feiert, im Interview. Dabei konnte das waschechte Münchner Kindl die faszinierenden Möglichkeiten, die der Schauspielerberuf nur den Begabtesten bietet, an sich sehr gut nutzen. Hierzulande wird er von den meisten Medien oftmals auf sein Mitwirken in Fernsehserien wie "Der Kommissar" (1969 - 1974), "Derrick" (1974 - 1998) und "Um Himmels Willen" (seit 2002) reduziert. Dabei hat der "Ausnahmekünstler und Ausnahmemensch" (Kollegin Birgit Zamulo über Wepper), der schon 1959 in Bernhard Wickis erschütterndem Antikriegs-Drama "Die Brücke" in der Rolle als einziger Überlebender eines Trupps sinnlos verheizter Teenie-Soldaten die Zuschauer zu Tränen rührte und 1964 das "Filmband in Gold als bester Nachwuchsschauspieler" für "Kennwort Reiher" ergatterte, sogar in zahlreichen internationalen Kinoproduktionen Akzente gesetzt: In Stuart Rosenbergs "Frage Sieben" (1961), der das Thema Glaubensfreiheit contra "Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit" in der DDR aufgriff, war er als fanatischer Jugendführer zu sehen. Und in Bob Fosses in München und West-Berlin gedrehtem, Oscar-prämierten Hollywood-Musical "Cabaret" (1972) verliebte er sich in einer tragikomischen Rolle als Gigolo Fritz Wendel (sic!) allen Gefahren zum Trotz in die von Marisa Berenson verkörperte Jüdin Natalia Landauer und spielte Weltstars wie Liza Minelli und Michael York glatt an die Wand. Die nahmen es ihm nicht krumm - vor allem mit der Sally Bowles von einst verbindet dem immer noch jugendlich wirkenden "alten Fritz" bis heute eine innige Freundschaft.

Größere Ansicht anzeigen Fritz Wepper in "Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn" (BRD 1967, Regie: Rolf Olsen, Foto: Archiv Marc Hairapetian)

 Fritz Wepper, der 1967 unter der Regie des österreichischen Enfant terribles Rolf Olsen im ersten deutschen Doku-Reißer in Farbe, "Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn", als deutsche Antwort auf James Dean vor allem in den fulminanten Szenen mit seinem Filmvater Herbert Tiede agierte, ist weit mehr als "Harry, hol schon mal den Wagen!". Dennoch hat der Rotschopf zuerst den Kommissar-Assistenten Harry Klein und später den Inspektor gleichen Namens gerne gemimt. Erik Ode sei für ihn ein "väterlicher Freund" gewesen, Horst Tappert, dessen Vergangenheit bei der SS-Panzergrenadier-Division "Totenkopf" postum publik wurde, ein "freundschaftlicher Kollege". Dass das ZDF fortan sämtliche "Derrick"-Folgen wegen Tapperts Nazi-Zeit in den Giftschrank verbannen will, findet er "fadenscheinig", denn "wenn man ehrlich ist, kann doch keiner, der jetzt über Horst die Nase rümpft, sagen, wie er sich selbst in einer Diktatur verhalten hätte."
 Werte wie Loyalität und Bodenständigkeit sind dem lebenslustigen Akteur, der die Feste gerne feiert wie sie kommen, wichtig. Seinen Vater, der Anfang 1945 in Polen als vermisst gemeldet wurde, kennt er nur noch aus den Erzählungen der Mutter. Vielleicht ist er auch deshalb selbst ein Familienmensch (seine erste Tochter Sophie eifert ihm als Schauspielerin nach, die fünfjährige Filippa ist dafür noch zu klein) geworden. Als seinem knapp zwei Jahre jüngeren Bruder Elmar 2008 der Deutsche Filmpreis als "Bester Hauptdarsteller" für "Kirschblüten - Hanami" verliehen wurde, hatte Fritz Tränen in den Augen.
 "Das Bild vom ertrunkenen syrischen Flüchtlingskind bekomme ich nicht mehr aus dem Kopf", bekennt Fritz Wepper. Der Kinder- und Hundefreund ist sozial engagiert, hängt dies aber nicht an die große Glocke. Zum 75. Geburtstag hat er sich einen schauspielerischen Traum erfüllt: In der Reihe "Protokolle des Bösen" gibt er - nach einem wahren Fall - eine Bestie in Menschengestalt. (22. Oktober, 21.50 Uhr, Sender A&E) - für ihn "die größte schauspielerische Herausforderung meiner gesamten Karriere". Fritz Wepper muss also wirklich keiner verpassten Chance nachtrauern.



Marc Hairapetian am 16. August 2016 für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de / www.spirit-fanzine.com / www.spirit-fanzine.de